Wie viele von Ihnen bereits wissen, veranstalten wir am nächsten Dienstag um 14:30 ein
Webinar zum Thema „E-Mails: Ein Muss für die internen Kommunikationen, oder geht es auch ohne?“. Diesmal haben wir für prominente Unterstützung gesorgt – Enterprise 2.0-Experte, Herr Dirk Hellmuth von
beyond email GmbH gibt Ihnen einen Überblick darüber, welche Probleme bei der E-Mail-Kommunikation auftreten, und wie sie zu lösen sind.
Im Vorfeld habe ich bereits einige Fragen an Herrn Hellmuth gestellt, die er freundlicherweise beantwortet hat.
Herr Hellmuth, auch wenn Sie in Enterprise 2.0-Szene kein unbekannter sind, stellen Sie sich bitte ganz kurz vor für unsere Leser, die sich noch nicht so mit E2.0 auskennen?
Sehr gerne. Vor 5 Jahren bin ich eher zufällig auf das Thema Enterprise 2.0 gestoßen. Als Leiter des Projekte&Consulting Teams eines IT Dienstleisters für den deutschen Online Werbemarkt stand ich vor der Aufgabe, die vielen einzelnen IT Werkzeuge des Unternehmens konsolidieren. Im Prinzip ein klassisches Portal-Projekt, wie ich es in meiner langjährigen Tätigkeit als IT Consultant schon einige Male umgesetzt hatte. Bei der Aufarbeitung des Themas stieß ich auf die Idee des Enterprise 2.0 in Form des Buches „Die Kunst loszulassen“ – und mir wurde schnell klar, dass wir durch Transparenz und Vernetzung von Menschen und Informationen nicht nur einfach Mehrwerte schaffen, sondern einen großen Sprung in der Unternehmensorganisation machen können. Der damalige Geschäftsführer des Unternehmens, Herr Dirk Wippern, war sofort begeistert von der Idee und wir haben es in diesem Unternehmen umgesetzt. Schnell wurden die positiven Effekte des Enterprise 2.0 sichtbar, indem wir viel weniger Emails und gleichzeitig einen viel besseren Überblick über das Geschehen im Unternehmen hatten. Seitdem sind Dirk Wippern und ich überzeugte Vertreter der Enterprise 2.0 Idee, was letztlich in die gemeinsame Gründung des Beratungsunternehmens beyond email GmbH mündete.
Ihre Firma heißt „beyond email“, also „jenseits von E-Mail“. Warum sind aus Ihrer Sicht die E-Mails für interne Kommunikation nicht optimal? Emails haben ihre Berechtigung und sind gut für die schnelle Weitergabe einer Information an jemand anderen. Zu Zeiten als dadurch Papier abgelöst wurde, war dies ein Produktivitätssprung. Über die Jahre hat sich die E-Mail zur Allzweckwaffe für die Informationsverteilung in und zwischen Unternehmen entwickelt. Inzwischen werden ganze Geschäftsprozesse auf Email abgebildet, Dokumente abgestimmt, Diskussionen geführt – mit den bekannten Folgen: überlaufende Postfächer, kein Überblick über den aktuellen Stand einer Diskussion und der ständigen Frage „wer hat gerade die aktuellste Version der Präsentation?“. Hier machen sich die Nachteile bemerkbar: die Informationen werden fragmentiert, verteilt und in Silo’s gespeichert (dem eigenen Postfach, auf das sonst i.d.R. niemand Zugriff hat). Unternehmen sind heute mehr denn je auf den Austausch und die gemeinsame Bearbeitung von Informationen angewiesen – in Email-Postfächern gespeichert sind die Informationen allerdings nicht zentral verfügbar, im Zweifel nicht aktuell und die Mitarbeiter verbringen die Zeit mit Suche von Informationen anstatt mit ihnen zu arbeiten – ein Zustand, der für den Mitarbeiter und das Unternehmen unbefriedigend ist.
Und welche Alternativen gibt es? Die effiziente und effektive Nutzung der Informationen und des Wissens im Unternehmen ist ein immer wichtigerer Erfolgsfaktor. Unternehmen können die Effizienz steigern, indem sie die Suche nach der richtigen und aktuellen Information (oder des Experten) vereinfachen. Der Schlüssel dazu ist, Informationen an einer Stelle verfügbar und für alle Mitarbeiter zugreifbar zu machen. Ein Intranet, wie es in vielen Unternehmen bereits genutzt wird, ist ein erster Schritt dazu, jedoch häufig auf redaktionelle Inhalte und Dokumente beschränkt. Ideen und Wissen, also eine effektive Nutzung des Wissens, entstehen jedoch im Austausch, in der Kommunikation – also gilt es, auch diese an eine zentrale Stelle zu bringen. Ein Social Intranet bündelt die Informationen und Kommunikation an einer Stelle und fördert damit die Vernetzung der Menschen und des Wissens. Mit vielfältigen positiven Effekten: Eine Diskussion in einem Blog oder Forum vermeidet unüberschaubare Email-Würmer. Jeder Mitarbeiter kennt jederzeit den gleichen Stand einer Diskussion und kann dort mit seinem Beitrag aufsetzen. Noch dazu können Mitarbeiter mitwirken, die im Email-Verteiler gar nicht enthalten gewesen wären – und wichtige Sichtweisen und Impulse liefern. Dies wiederum macht sichtbar, wo die Experten im Unternehmen sitzen und und und…
Was ist Ihrer Meinung nach effizienter für Unternehmenskommunikation: An soziale Netzwerke angelehnte Activity Streams oder Chat-Systeme? Welches Verkehrsmittel ist besser – das Auto oder die Bahn? Ich denke, man kann dies nicht pauschal beantworten. Am Ende geht es darum, die Anwendungsfälle der Nutzer bestmöglich zu unterstützen – danach sollte sich die Tool-Auswahl richten. Ein Activity Stream ist extrem hilfreich, einen Überblick über Aktivitäten im Unternehmen zu erhalten und gibt die Möglichkeit, diese Aktivitäten für den persönlichen Anwendungsfall zu filtern. So kann der Vertriebs-Mitarbeiter im Activity-Stream nach aktuellen Informationen zu seinem Kunden filtern und so mit einer Suche alle kundenbezogenen Aktivitäten aus allen Bereichen des Unternehmens, wie Vertrieb, Service, Rechnungswesen und Marketing erhalten. Dies kostet ihn heute x Emails und Telefonate – mit einem Activity-Stream kostet es ihn eine Suchabfrage. Der Produktmanager kann im gleichen Activity-Stream nach Ideen, Feedbacks und Problemen zu seinem Produkt suchen – auch hier mit einem Klick statt 10 Emails.
Ein Chat dagegen dient der direkten, synchronen Kommunikation. Wenn z.B. ein Support- und Projektmitarbeiter gemeinsam eine Problemstellung beim Kunden lösen, muss es im direkten Austauch schnell hin und her gehen können – ein idealer Anwendungsfall für einen Chat. Die Lösung im Chat ist leider nicht für andere sichtbar, so dass es wichtig ist, die gefundene Lösung z.B. im Blog allen bereitzustellen, damit ein vergleichbares Problem beim nächsten Mal noch schneller und ohne Chat gelöst werden kann.
Welche Tools würden Sie sonst empfehlen um die internen E-Mails abzuschaffen?
Es hat sich gezeigt, dass Web2.0 Werkzeuge wie Wiki’s, Foren, Profile, Blogs und Microblogs mächtige Werkzeuge sind, um die Zusammenarbeit von Menschen auf eine neue Stufe zu bringen. Wikipedia ist dafür das beste Beispiel, aber auch nur eines von vielen. Alle diese Tools haben Stärken und Schwächen und ich möchte die Email aus dem Werkzeugkasten auch nicht dogmatisch verbannen. Ich denke es geht darum, die Werkzeuge so einzusetzen, dass die Anwendungsfälle des Nutzers bestmöglich unterstützt werden. Und die Erstellung einer gemeinsamen Agenda für einen Termin, an dem 10 Mitarbeiter beteiligt sind und Agenda-Punkte beitragen können, ist in einem gemeinsamen Wiki-Dokument nun mal bedeutend einfacher, als per Email, wo schnell 30-50 Emails entstehen.
Um im Bild der Verkehrsmittel zu bleiben: Es geht nicht darum, Auto oder Bahn zu fahren. Ich will bestmöglich von A nach B, ich möchte mobil sein. Und dazu braucht es intelligente Mobilitätskonzepte, die die Stärken der Verkehrsmittel ideal bündeln.
Was sind die größten Schwierigkeiten bei der Einführung eines Social Intranets?
Eine Social Intranet Einführung besteht nur zu einem Teil aus Technologie. Mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, ist die Verlagerung der Informationsprozesse ins Social Intranet und das Mitnehmen der Menschen im Unternehmen.
Die Prozessintegration ist von großer Bedeutung, um die „oh je, noch ein Tool, wann soll ich das noch machen?“-Reaktion zu vermeiden. Die Mitarbeiter in den Unternehmen haben heute schon eine Vielzahl an Tools im Einsatz – und jedes neue Tool muss, um akzeptiert zu werden, beweisen, dass es dem Mitarbeiter hilft und ihm die Arbeit leichter macht. Ein Beweis kann z.B. sein, dass der Mitarbeiter weniger Emails erhält, da z.B. die Abstimmung einer Agenda im Wiki statt per Email stattfindet. Hier gilt es, die gewohnten Abläufe und Prozesse sukzessive und gezielt aus der Email heraus in das Social Intranet zu verlagern.
Und je stärker ich Informationsprozesse an einen für alle zugänglichen Ort wie das Social Intranet verlagere, desto mehr Transparenz und öffentlicher Austausch entsteht. Und genau das braucht es auch, aus dieser Transparenz und dem Austausch entstehen die Mehrwerte! Jedoch steht dieser Ansatz heutigen Organisationsstrukturen, die Informationen mit komplexen Rechtestrukturen verbergen und Kommunikation entlang der Hierarchiekette laufen lassen, vielfach entgegen. Für Mitarbeiter und Führungskräfte ist Transparenz und direkter, hierarchieübergreifender Austausch eine neue Situation, die Fragen mit sich bringt: Wie geht das Unternehmen mit Fehlern um, die ja auch sichtbar werden? Wie motiviere ich einen Mitarbeiter, der sich über sein „unersetzbares Wissen“ definiert, sein Wissen allen bereitzustellen? Wie gehe ich mit der Angst vor Kontrollverlust um, die viele Führungskräfte bei Social Intranet-Projekte haben? Für all diese Fragen gibt es gute Antworten – aber als Verantwortlicher muss ich mich diesen Fragen stellen, muss sie beantworten, muss die Mitarbeiter mitnehmen und die neuen Denk- und Arbeitsweisen vorleben. Dieser Wandel braucht Zeit und persönlichen Einsatz und muss von Beginn an eingeplant werden.
Ab welcher Unternehmensgröße ist ein Social Intranet sinnvoll?
Ich bin der Überzeugung, dass ein Social Intranet für Unternehmen jeder Größenordnung sinnvoll ist. Die Frage ist, welche positiven Effekte ich erreichen will. Diese muss ich zu Beginn eines Social Intranet-Projektes definieren und danach das Social Intranet gestalten und Tools anbieten. In den Zielen gibt es je nach Unternehmensgröße sicher Unterschiede. Ein kleines Unternehmen, indem sich die Mitarbeiter persönlich kennen, hat keinen großen Mehrwert von Mitarbeiter-Profilen, die die Expertisen des Mitarbeiters zeigen. Es profitiert eher von Tools, die die Zusammenarbeit in kleinen Einheiten unterstützen, wie Wiki’s, Chats und Microblogs.
Ein großes Unternehmen hat vielleicht eher das Ziel, Mitarbeiter standort- und abteilungsübergreifend zu vernetzen und so die Experten im Unternehmen für alle sichtbar und zugänglich zu machen. Ein solches Unternehmen profitiert stärker von Blogs und Mitarbeiter-Profilen.
Und was ist mit Klein(st)unternehmen und Startups? Finden Sie nicht, dass gerade ein Social Intranet die perfekte Grundlage für die Arbeit ohne Office ist?
Absolut, das erlebe ich jeden Tag selbst! Wir setzen bei beyond email auf ein Social Intranet mit einer zentralen Microblog-Komponente. Über den Microblog binden wir auch externe Partner und Dienstleister ein. Dirk Wippern und ich sind viel unterwegs und noch dazu Verfechter der Freiarbeit, d.h. zu dem Zeitpunkt und an dem Ort zu arbeiten, an dem dies am besten möglich ist. Daher kommt es vor, dass wir uns tagelang nicht persönlich sehen – aber dennoch sind wir über unseren Microblog immer darüber informiert, was beim anderen und bei den Partnern und Dienstleistern läuft. Wir können jederzeit kommentieren, Meinungen einsammeln und Lösungen finden – und dies ohne in Emails zu versinken. Die Posts ordnen wir über Hashtags thematisch zu – so kann ich jederzeit die Informationen nach meinem Bedarf filtern. Ein Beispiel: für die Agenda der nächsten Gesellschafterversammlung gibt es den Hashtag
#gv. Immer wenn einem von uns ein Thema einfällt, schreibt er im Microblog einen kurzen Post mit dem Thema und dem Hashtag
#gv- Das kann auch schnell via Handy z.B. nach dem Sport passieren, eben dann wenn es einem einfällt. Am Tag der Gesellschafterversammlung klicken wir im Microblog auf den Tag
#gv – und schon haben wir die Themenliste! Haben Sie das mal mit Emails und Word-Dokumenten versucht? Das ist total einfach und effizient und es macht richtig Spaß so zu arbeiten!
Und was noch hinzu kommt: es gibt tolle Social Intranet Lösungen aus der Cloud, also ohne teure Hard- und Software-Investitionen, flexibel skalierbar, in wenigen Minuten einsatzbereit und überall verfügbar. Dies ist gerade für kleine Unternehmen und StartUps, die von Schnelligkeit, Flexibilität und geringen Kosten profitieren, ein großer Vorteil.
Welche Branchen sind offener für Social Intranets, welche bevorzugen immer noch das klassische Modell?
Sicherlich sind IT-affine und junge, wissensbasierte Branchen tendenziell näher dran am Thema Social Intranet und transparentem Austausch über Web2.0 Werkzeuge. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass dort eine hohe Quote „digital Natives“ arbeiten, die diese Arbeitsweisen einfordern und prägen. Dennoch erlebe ich es in der Praxis immer häufiger, dass es weniger branchenspezifisch, sondern vielmehr von den Entscheidern abhängig ist. Ich denke, ein Social Intranet kann in jeder Branche hilfreich sein, es lassen sich immer konkrete Anwendungsfälle finden, die den Mitarbeitern und dem Unternehmen helfen. Am Ende sind es die Geschäftsführer und Abteilungsleiter, die das Potential für das eigene Unternehmen erkennen und den Mut haben, klassische Denk- und Arbeitsweisen zu hinterfragen und weiterzuentwickeln, weil sie von den Chancen überzeugt sind. Und diese Menschen finden sich in allen Branchen.
Was denken Sie, werden Social Intranet die E-Mails komplett ablösen? Wann und unter welchen Voraussetzungen?
Für die kommenden 5-10 Jahre erwarte ich nicht, dass die E-Mail komplett abgelöst wird. Ich denke, der Trend zum Social Intranet und dem transparenten Austausch dort wird das Email-Aufkommen deutlich verringern. Die E-Mail wird ein Werkzeug in unserer Kommunikations-Toolbox bleiben – aber eben nur eines von mehreren, die wir je nach Anwendungsfall einsetzen. Sie wird nicht mehr DAS Werkzeug für alle Fälle sein, dass sie heute ist – in Anbetracht überfüllter Postfächer, hunderter ungelesener Emails und dem daraus resultierenden Druck auf die Menschen eine positive Perspektive!
Vielen Dank Herr Hellmuth, wir sehen uns dann bei unserem Webinar.